n.o.T.

„n.o.T.“, 2020
Video, HD 16:9, 03:25 min., Sound: M. Armann, D.M. Würgert

schwarze Wasseröberfläche auf der weisse Tannennadeln schwimmen
Ein unbewegtes Meer aus Strichen oder Nadeln zeichnet sich hell vom Untergrund ab. Der Bildausschnitt wankt; kaum wahrnehmbar verschieben sich die feinen Objekte. Eine Stimme flüstert Unverständliches, während eine sich in Lautstärke und Rhythmus dramatisch zuspitzende Musik bedrohlich eine abstrakte „n.o.T.“-Situation verheißt. Aus dem dunklen Untergrund tritt immer deutlicher werdend ein Motiv hervor: wehende Zweige schichten sich als eine zweite Ebene in den Bildraum, bis sich ihre Blätter stürmisch mit dem Vordergrund zusammenschütteln. Schließlich flackert das Motiv wie ein fotografischer Negativeffekt aus eskalierenden Kontrasten hinein in eine schlagartig gleichmäßige Dunkelheit. Im Rhythmus vermeintlicher Atmung und pochender Schritte scheinen grüne Halme im Dunkeln auf. Es entsteht ein flüchtiges Bild – eine hastige Bewegung, ohne Richtung, ohne Ziel – und endet abrupt, ohne Auflösung.

Hinter der unverständlichen Tonspur zu Beginn der Videoarbeit „n.o.T.“ versteckt sich – rückwärts laufend – eine Textpassage aus Cees Nootebooms „Die folgende Geschichte“, die den „T.o.n.“ angibt. Zwei Zeitebenen zersplittern im Buch die Wahrnehmung von Gegenwart und Erinnerung, Leben und Tod, Anfang und Ende. Die Videoarbeit führt den Diskurs weiter: Bereits Dagewesenes – Bild, Erinnerung, Assoziation – entzieht sich einer greifbaren Gegenwärtigkeit, Bedeutungszuschreibungen laufen ins Leere.
Zahlreiche Videoarbeiten der Künstlerin verweisen auf die Zeit als Leitmotiv, so auch „Rückblick aus dem Jahr 2030“, das uns als Betrachtende in eine Art Zeittunnel saugt wie in ein entschwindendes und dabei stets sich wiederholendes Tagebuch aus der Zukunft – das nie da gewesen sein wird. Auch diese Arbeit fußt auf einer literarischen Vorlage und bezieht sich dabei frei auf Edward Bellamys „Ein Rückblick aus dem Jahre 2000 auf das Jahr 1887“. Die Künstlerin fügt heterogene Elemente zusammen, entliehen aus Alltag, Literatur und Film und komponiert sie zu Bild- und Tonwelten voller Erwartungen und Assoziationsforderungen. Die Spezifik der Bilder steht der unkonkreten und von jeder Zeitlichkeit sich ablösenden videoimmanenten Erzählwirklichkeit diametral entgegen. Assoziationsrezeptoren werden bespielt, um die Betrachtenden am Ende einem sich auflösenden Raum-Zeit-Kontinuum zu überlassen.

Sarah Luisa Henn