safepoint_x

„safepoint_x“, 2003/2010Videoinstallation, Farbe, 09:49 min., Musik: M. Armann

leuchtend grüner Wald
„safepoint_x“

Eine Reise nach Japan war der äußere Anlass und ist zugleich Gegenstand von „safepoint_x“. Die während der Reise absichtsvoll absichtslos mitlaufende Digitalkamera hat beiläufig ein Paralleluniversum der „am unbekannten Strand“ geschauten Bilder geschaffen. Nicht um ein willentlich dokumentarisches Filmen ging es dabei, sondern um die Aufzeichnung von Bildern, die durch den Prozess der Abbildung das Abgebildete nicht beeinflussen. Die diskret gehaltene Kamera wird gleichsam inkorporiert, ohne Auge am Sucher zu einem dritten Auge und zeichnet Bilder auf, die sind, als wäre die Kamera nicht.

„rette deine erinnerungen rief er mir noch nach……als ich an den unbekannten strand gespült wurde“,diese kurze Notiz lesen wir am Ende von „safepoint_x“. In der Videoarbeit der Künstlerin Doris Maximiliane Würgert sind wir da – in einer Art inifinitive loop – bereits zum Anfang, an den Strand, zurückgekehrt. Die Notiz verweist zugleich auf den Titel, der „Safepoints“, die Sicherungspunkte in Computerprogrammen und Videospielen, und die mathematische Variable „x“ miteinander verbindet. Es geht also um „gerettete Erinnerung“, um die Sicherung, die Fixierung im Angesicht des Unbekannten entstandener Bilder, die nicht anders als aus einer entschieden subjektiven Perspektive erfolgen kann.
Es ist die Erfüllung eines menschlichen Traums, wenn es gelingt, die im Inneren wirklichen, die eigentlichen Bilder für andere sichtbar zu machen. Was sind erinnerte Bilder? Selbstverständlich mehr, als lediglich „registrierte“, durchs Objektiv verzeichnete digitale Bilder, auch wenn diese noch so blicknah aufgezeichnet wurden. Erst wenn das in unserem Seh-Erleben Verzeichnete, das von uns Wahr-genommene jenes aufgenommene, registrierte Material, nein, eben nicht verzeichnet, sondern formt, entsteht Deutlichkeit im Sinne unserer subjektiven Lebens- und Erlebensdeutung.

Würgerts Bilder führen uns in das scheinbare Chaos der fremden und doch menschlichen Stadt, in der sich so viele Leben, so viele Träume und Ordnungen überlagern, in die Gleichzeitigkeit von Tradition und Fiktion, von Ruhe und Lärm. Wie in ihren malerisch-fotografischen Arbeiten zieht sich eine leuchtende, schwebende Transparenz auch durch die Videobildwelt von Doris M. Würgert. Dabei lässt Unschärfe das Gesagte oft nur deutlicher hervortreten. Sich auflösende Kontraste im Bild können auf unsere Imaginationsfähigkeit verweisen und damit auf umso schärfere Kontraste, die, wo sie sich im Bild einstellen, dann häufig gerade auf die Abwesenheit von Gegensätzen deuten. So sehen wir Bilder, wie sie auftauchen, wenn wir die Augen schließen und Erinnerungen aufsteigen lassen. Szenen, Bilder, Bewegungen, Geräusche, Worte, Sätze, Klänge und Rhythmen überlagern sich und stehen doch miteinander in einem wahren und tragfähigen Geflecht von Sinnbeziehungen.

Mit „safepoint_x“ ist Doris M. Würgert eine Projektion gelungen, deren Kraft daraus erwächst, dass sich die fremden „tatsächlichen“ Bilder in ihrer objektiven Unabweisbarkeit mit uns vertraut erscheinenden inneren Bildern ohne eine Geschichte erzählen zu wollen in beredter Weise zu nicht weniger als einem Stück Welt verbunden haben.

Markus Springer